Projektabschluss «StoppSturz»

Der Sturz im Alter ist ein häufiges Phänomen, welches in der Regel auf vielfältige und komplexe Ursachen zurückzuführen ist. Stürze haben zahlreiche Folgen auf individueller Ebene und verursachen hohe volkswirtschaftliche Kosten. Hier setzte das Projekt «StoppSturz» an: Ziel ist, dass medizinische und nicht-medizinische Fachpersonen des ambulanten Versorgungssystems (die primäre Zielgruppe des Projekts) befähigt werden, ältere Personen mit erhöhtem Sturzrisiko (die sekundäre Zielgruppe des Projekts) zu erkennen, abzuklären und adäquat zu behandeln (bzw. sie angemessenen therapeutischen-pflegerischen sowie präventiven Massnahmen zuzuführen). Das Projekt erweiterte damit die bevölkerungsbezogene Sturzprävention, die in verschiedenen Kantonen im Rahmen der kantonalen Aktionsprogramme gefördert wird, auf die Sturzprävention von besonders gefährdeten Patientinnen und Patienten in der ambulanten Versorgung.

Kantonale Pilotprojekte 2019 - 2022

«StoppSturz» dauerte von 2019 bis 2022. In das Projekt waren nationale und kantonale Organisationen des Gesundheitsversorgungssystems, von Public Health und der Zivilgesellschaft involviert. Umgesetzt wurde «StoppSturz» in den fünf Kantonen St.Gallen, Bern, Graubünden, Jura und Zürich im Rahmen von kantonalen Pilotprojekten. Gesundheitsförderung Schweiz hat das Projekt im Rahmen der ersten Förderrunde von «Prävention in der Gesundheitsversorgung PGV» im Jahr 2018 mit CHF 2.0 Mio. finanziert und durch Eigenmittel der Träger- und Partnerorganisationen unterstützt.

«StoppSturz» beinhaltete verschiedene Teilprojekte zur Sturzprävention in der Gesundheitsversorgung:

  • Nationale Koordination und Verankerung: Abstimmung von Aktivitäten mit den nationalen Akteuren, Nutzung von Synergiepotenzial mit anderen Projekten und bestehenden Dienstleistungen im Bereich der Sturzprävention in der Gesundheitsversorgung sowie Vorbereitung der Projektmultiplikation und Verankerung von «StoppSturz».
  • Tools und Fortbildungsmaterialien: Erarbeitung von Instrumenten, Vorlagen und Materialien für Fachpersonen (u.a. Ärzteschaft, Spitex, Physiotherapie, Ergotherapie) auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie Bereitstellung auf der Projektwebseite.
  • Apotheken, MPA/MPK und aufsuchende Sturzberatung: Entwicklung neuer Interventionspakete zur besseren Erkennung von Personen mit erhöhtem Sturzrisiko und Schaffung von neuen, niederschwelligen Zugänge zur Sturzprävention.
  • Hochschule: Aufbau des Wahlpflichtmoduls «Sturzprävention – eine interprofessionelle Herausforderung» an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW.
  • Spitalaustritt: Thematisierung des Eintrages von Stürzen und Sturzrisikofaktoren in der Spitalaustrittsplanung (Ende 2021 sistiert).

Über 1’600 medizinische und nicht-medizinische Fachpersonen wurden in berufsspezifischen und interprofessionellen Informationsveranstaltungen und Fortbildungen zur Sturzprävention sensibilisiert sowie zum empfohlenen Vorgehen und zur Nutzung von Instrumenten und Tools geschult. Die Interprofessionalität wurde über Vernetzungstreffen auf lokaler oder regionaler Ebene gestärkt.

Wie weiter?

Mit der BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung wurde ein nationaler Akteur gewonnen, der die bestehenden Produkte übernimmt und weiterentwickeln wird. Damit konnte die Überführung in eine neue Phase gesichert werden. Auch die beteiligten Kantone werden Teile des Projekts ab 2023 weiterführen.

Fazit und Learnings

Bedingt durch die Corona-Pandemie kam es zu Verzögerungen bei der Projektumsetzung; Anpassungen im Gesamtprojekt, in den Kantonen und in den Teilprojekten wurden notwendig. Unter anderem wurde ein neues Teilprojekt zum Thema «E-Learning» geschaffen, um den Fachpersonen das «StoppSturz»-Vorgehen mit digitalen Lernmedien auf flexiblere Art und Weise vermitteln zu können.

In vier Jahren konnte die Qualität bei der Sturzprävention in der Gesundheitsversorgung wohl nur teilweise optimiert werden; die Projektlaufzeit war jedenfalls zu kurz, die Rahmenbedingungen aufgrund der Corona-Pandemie erschwert und das Gesundheitsversorgungssystem mit der Vielfalt an Akteuren, Themen und Interessen zu träge für einen starken Impact. Umso wichtiger ist es,

  • die Sturzprävention im Versorgungssystem mit genügend Ressourcen evidenz- und qualitätsbasiert weiterzuführen,
  • auf den hohen Bedarf für die Sturzprävention (bzw. auf die vielen Stürze im Alter) zu reagieren,
  • gravierende Sturzfolgen auf individueller Ebene möglichst zu verhindern
  • sowie die hohen Folgekosten von Stürzen zu reduzieren.

Als besondere Erfolge des Projekts ist zu werten, dass vor allem im letzten Projektjahr viele Spitex-Organisationen in die systematische Bearbeitung der Sturzprävention in ihrer Organisation eingestiegen sind und auch verschiedene grosse Ärztenetzwerke das Thema aufgegriffen haben, um Prozesse in der Arztpraxis anzupassen. Zur überdauernden, fachlichen Verstetigung wird beitragen, dass die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) Ende 2021 die Sturzprävention als Qualitätsindikator im ambulanten Bereich festgelegt hat und sich dabei auf «StoppSturz» bezieht.

Rückblick: «StoppSturz» im Kanton St.Gallen

Die Hauptakteure im Projekt «StoppSturz» des Kantons St.Gallen waren folgende Verbände und Fachorganisationen, welche auf strategischer Ebene als kantonale Steuergruppe die Vorgehensweise mitbestimmt haben:

  • Apothekerverband St.Gallen/Appenzell
  • Ärztegesellschaft des Kanton St.Gallen
  • ErgotherapeutInnen-Verband, Sektion Ostschweiz
  • Fachstelle Gesundheit im Alter, Amt für Gesundheitsvorsorge, Abteilung ZEPRA
  • Geriatrische Klinik St.Gallen
  • Haus- und Kinderärzte Ostschweiz HKO
  • Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK, Sektion SG, TG, Appenzell
  • Physioswiss, Regionalverband St.Gallen-Appenzell
  • Pro Senectute Kanton St.Gallen
  • Rheumaliga SG, GR, AI/AR und Fürstentum Liechtenstein
  • Kantonaler Seniorenrat St.Gallen
  • Spitex Verband SG/AR/AI

Auf operativer Ebene gelang im Rahmen von Schulungen die Vernetzung der Physiotherapie und Ergotherapie. Sowohl die Physiotherapie als auch die Ergotherapie war über den 3-Jahres-Fortbildungszyklus optimal zu erreichen. Das Thema Sturz wurde jeweils mit einem brisanten Thema aus dem Berufsalltag ergänzt. 2023 wird die interprofessionelle Schulung für Physio- und ErgotherapeutInnen fortgesetzt.

Schulungen der Fachpersonen aus Spitex und Pro Senectute wurden als «Teach-the-Teacher»-Schulungen über stündige Webinare zur Theorie und über eine anschliessende Halbtagesschulung zu den Abläufen und zur Anwendung der «StoppSturz» Tools in der Praxis 2021 und 2022 durchgeführt. Die Schulungen der Ärzteschaft gestaltete sich schwierig und erfolgte über zwei Qualitätszirkel in Gossau SG und Niederuzwil. Der Austausch mit dem Sturzpräventionsteam der Geriatrischen Klinik St.Gallen gab Aufschluss über vergangene (schwierige) Anstrengungen im Kanton St.Gallen zur Schulung der Ärzteschaft zum Thema. Zusätzlich wurde für das PGV-Projekt der FMH eine PEPra-Schulung zum Thema Sturzprävention entwickelt und getestet.

Auf regionaler Ebene wurden in Zusammenarbeit mit dem Palliative Care Forum Gossau/Tannenberg 2022 verschiedene Aktivitäten zum Eventjahr mit dem Thema «Sturzprävention» lanciert (Wanderausstellung, Fachvortrag sowie Flyer für die Bevölkerung). Weitere Kommunikationsmittel wie der Newsletter des Amtes für Gesundheitsvorsorge, ein Artikel in der Seniorenzeitung, die Publikumsbroschüre «Selbständig bleiben – Sturzrisiko reduzieren», das Factsheet mit einschlägigen Zahlen, Präsentationen für die Geschäftsleitenden und Fachpersonen der Spitex, der Ergotherapie, Physiotherapie und für die MV mittleres Toggenburg haben zur Sensibilisierung zum Thema Sturz und Sturzprävention beigetragen. 2021 erschien ein ausführlicher Beitrag im HKO-Bulletin für die Ärzteschaft. Am Ärztekongress Klinfor2021 wurde ein Workshop zum Thema Sturzprävention durchgeführt. An der Frühlings- und Trendmesse OFFA 2022 führte Physioswiss im Rahmen der Sonderschau «einfach gsund» (unter der Leitung des Amtes für Gesundheitsvorsorge) einen Gehtests mit Messebesucherinnen und Messebesuchern durch. Im Herbst 2022 wurde vom Ostschweizer Fernsehen TVO ein Beitrag zur Sturzprävention in der Arztpraxis produziert und ausgestrahlt.

Aufgrund der drastischen Einschränkungen im Projektverlauf durch die Corona-Pandemie lancierte das Amt für Gesundheitsvorsorge in Zusammenarbeit mit TVO und einer Bewegungstherapeutin für die ältere Bevölkerung die TV-Sendung «Bliib fit – mach mit!». Die Sendung läuft seit März 2020 ununterbrochen auf TVO und von Oktober 2022 bis April 2023 zum zweiten Mal 3x wöchentlich auf SRF 1.

Weiterführung der Sturzprävention im Kanton

Die Sturzprävention ist auch im neuen Altersleitbild des Kantons St.Gallen verankert. Die kantonale Steuergruppe «StoppSturz» wird bei Bedarf weiterhin einberufen. Im Rahmen des kantonalen Aktionsprogrammes «in Balance älter werden» wird die Sturzprävention im Kanton weiterhin bei der Bevölkerung sowie bei den verschiedenen Akteuren – darunter auch diejenigen in der Gesundheitsversorgung – gefördert und unterstützt. Das Programm läuft aktuell bis Ende 2024. Weitere spezifische Aktivitäten des Kantons werden in Abstimmung mit der BFU, Beratungsstelle für Unfallverhütung geplant. Das Thema Sturzprävention soll im Kanton St.Gallen im Rahmen von PEPra-Fortbildungen für Praxisteams auch künftig weitergeführt werden.

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